Naturschutz-Informationen - "eigene Forschung"

   
 

Aktuelles & Termine  -  Naturschutz-Infos  -  Kuh-Geschichten  -  IRH Wettenberg  -  Sonstiges

   

 

Amphibien

Ausflug-Tipps

Beweidung

Grünland im LDB

Landschaftspflege

Naturschutzgebiete im LDB

Reptilien

Schwalbenschutz

Vögel

Wald

Waldameisen

Winterweide

 

 

 

 

 

 

 

 zurück

Naturschutzgebiete im Lahn-Dill-Bergland: 
Ausreichender Schutz und angemessene Pflege?

T. Mattern, R. Waldhardt, A. Otte
 

Einleitung

Der gesetzliche Schutz gefährdeter Lebensräume und Biotopkomplexe wird als angemessene Strategie betrachtet, sowohl die Artenvielfalt als auch durch traditionelle Nutzungsformen geprägte Landschaftsbilder zu erhalten. Berücksichtigt man die noch immer rückläufige Biodiversität und das Aussetzen bestimmter Nutzungsformen, so bilden die rund 6.600 Naturschutzgebiete (NSG) in Deutschland einen wesentlichen Beitrag zum Schutz der Natur. Es ist zu hinterfragen, in welchem Umfang die in bestimmten Landschaftsteilen vorhandenen Biotoptypen durch NSG abgedeckt bzw. geschützt sind. Angesichts der noch immer gängigen Praxis, Schutzgebiete „aus der Nutzung“ zu nehmen, ist zu hinterfragen, wie dies mit dem Schutz kulturhistorischer Landschaftsbilder vereinbar ist.

 Hierfür wurden im Rahmen einer Studienarbeit Daten über die biotische und abiotische Ausstattung der Naturschutzgebiete im Lahn-Dill-Bergland zusammengetragen und ausgewertet. Das Lahn-Dill-Bergland ist eine Landschaft am Ostrand des Westerwaldes, die teilweise noch durch traditionelle Nutzungsformen mit der ihnen entsprechenden Vegetation geprägt ist. Es wurden 26 NSG untersucht, die mittels einer sog. Cluster-Analyse aufgrund von Ähnlichkeiten in fünf Gruppen eingeteilt wurden. Für je ein NSG dieser fünf Gruppen wurden Pflanzenartenlisten der Naturschutzgebiete und der umgebenden Landschaft auf Messtischblatt-Basis verglichen.

 
Ergebnisse und Diskussion

Bemerkenswert ist ein höherer Anteil Rote-Liste-Arten in den NSG sowie weniger einjährige Arten als in der „Normallandschaft“. Des Weiteren kommen in den NSG prozentual mehr Arten mit extrem niedrigen oder hohen Zeigerwerten für Bodenfeuchte und –reaktion sowie Nährstoffversorgung vor (vgl. ELLENBERG et al 1991, Tabelle 1).

 Die häufig hohen Anteile der Arten mit sehr niedrigen bzw. sehr hohen Zeigerwerten sind in erster Linie vermutlich über die in den NSG oftmals vergleichsweise extremen Standortgegebenheiten zu erklären, was belegt, dass die NSG standörtlich von der „Normallandschaft“ abweichen.

 Der in den NSG höhere Anteil der Rote-Liste-Arten ist sicherlich zum Teil durch die in diesen Landschaftsausschnitten besonderen Standortbedingungen zu erklären. Jedoch auch die Nutzungsgeschichte dieser Grenzertragsstandorte wird zu ihrer relativen Häufung in den heutigen NSG geführt haben.

 Nach der Ausweisung als NSG wird der geschützte Landschaftsausschnitt meist „aus der Nutzung“ genommen. An dem geringeren Anteil an Therophyten (einjährige Arten, die an störende Eingriffe angepasst bzw. darauf angewiesen sind) in den meisten NSG wird deutlich, dass diese Praxis nicht zum Schutz einjähriger Arten, und ggf. auch anderer Lebensformen, beitragen kann. Die Fortführung oder Simulation einer traditionellen Nutzung in kulturhistorisch geprägten Naturschutzgebieten ist notwendig für den Erhalt der schutzwürdigen Vegetationsformationen (vgl. BERGMEIER 1987, GINZLER 2003). In den „Wacholderheiden von Niederlemp“ könnte der dort ausnahmsweise höhere Anteil Therophyten durch die Schafbeweidung erklärt werden. Diese halten die Vegetation kurz und erzeugen durch den Klauentritt offene Bodenstellen, was die Keimung von Therophyten begünstigt. Diese Arten überdauern ungünstige Zeiten als Samen, so bspw. auch Trockenzeiten. Die „Wacholderheiden“ liegen an einem trocken-heißen Oberhang, was bei entsprechender Witterung ein Absterben der Vegetation bedeuten kann, wodurch die kurzlebigen Arten ebenso im Vorteil sind.

 
Tabelle 1: Zusammenfasung zu Eigenschaften der Flora ausgewählter NSG im Lahn-Dill-Bergland im Vergleich zur Flora der zugehörigen Messtischblätter (Therophyten: Einjährige Arten; Hemikryptophyten: Ausdauernde Arten)

NSG

ELLENBERG-Zeigerwerte

Lebensformen

Boden-feuchte

Boden-reaktion

Nährstoff-versorgung

Thero-phyten

Hemikrypto-phyten

Strickshute von Frechenhausen

 

 

mehr Säurezeiger

 

Weniger

Mehr

Weißehöll bei Niederscheld

 

viel mehr Trocknis-zeiger

 

viel mehr Magerkeits-zeiger

Weniger

Mehr

Wacholder-heiden von Niederlemp

 

mehr Trocknis-zeiger

mehr Säurezeiger

mehr Magerkeits-zeiger

Mehr

Weniger

Struth bei Altenkirchen

 

mehr Feuchte-zeiger

 

mehr Magerkeits-zeiger

Weniger

Mehr

Im Wehr bei Breidenstein

 

mehr Feuchte-zeiger

 

mehr Stickstoff-Zeiger

weniger

Mehr

 

Die räumliche Verteilung der NSG im Lahn-Dill-Bergland ist ungleichmäßig (vgl. Karte 1). In einigen Naturräumlichen Untereinheiten befinden sich mehrere NSG (Niederweidbacher Becken, Bottenhorner Hochflächen), in manchen Untereinheiten keine. Zwar ist ein Großteil der NSG als Offenlandbiotope einzustufen, jedoch hängt die ungleichmäßige Verteilung nicht mit der Offenland- bzw. Waldverteilung im Bezugsraum zusammen. Als mögliche Ursache  kommt in Betracht, dass schutzwürdige Landschaftsbestandteile immer erst „gefunden“ werden müssen und anschließend ein erfolgreiches Sicherstellungsverfahren angestrengt wird. Sofern diese Annahme zutrifft, ist den Anforderungen nach Unterschutzstellung gefährdeter Landschaftsausschnitte bislang nicht in vollem Umfang nachgekommen worden.

 
Fazit

Kurz gesagt kann festgehalten werden, dass die gängige Pflegepraxis in Naturschutzgebieten sich an traditionelle Landnutzungsformen anlehnen sollte (zumindest sofern kulturhistorische Landschaftsbilder erhalten werden sollen) und in einigen Naturräumen des Lahn-Dill-Berglandes ggf. noch Naturschutzgebiete auszuweisen sind.

 


Literatur:

·       BERGMEIER, Erwin, 1987: Magerrasen und Therophytenfluren im NSG „Wacholderheiden bei Niederlemp“. Tuxenia 7: 267-293.

·       ELLENBERG, Heinz, WEBER, H. C., DÜLL, R., WIRTH, V., WERNER, W., PAULISSEN, D., 1991: Zeigerwerte von Pflanzen in Mitteleuropa. 3. Aufl. – Scripta Geobotanica 18.

·       GINZLER, Oliver, 2003: Das Naturschutzgebiet „Kanzelstein bei Eibach“ – Nutzungsgeschichte, Vegetationsdynamik und aktuelle Vegetation. – Diplomarbeit Univ. Gießen

 

MATTERN, Tim: Die Bedeutung der Naturschutzgebiete im Lahn-Dill-Bergland für die Landschafts-Biodiversität - Bachelor-Arbeit am Institut für Landschaftsökologie und Ressourcenmanagement im Fachbereich 09 Agrarwissenschaften, Ökotrophologie und Umweltmanagement der Justus-Liebig-Universität Gießen, 2004.



Tim Mattern, Rainer Waldhardt & Annette Otte
Professur für Landschaftsökologie und Landschaftsplanung, Justus-Liebig-Universität Giessen
Heinrich-Buff-Ring 26 – 32, D-35392 Giessen

   
   
Version 3 - Sommer 2007

Startseite - Impressum