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Diverse Infos zum Themenbereich Landschaftspflege und Beweidung aus dem Archiv der GreenTime

 

"Die Landschaft hat die Tiere geprägt ..."

„... und die Tiere die Landschaft“ – Wettenberger Umweltgespräch über Landschaftspflege mit Nutztieren (4.2.2004)

Der Vortrag „Landschaftspflege mit Nutztieren“ von Gerd Bauschmann war Thema beim ersten „Wettenberger Umweltgespräch“ in diesem Jahr. Eingeladen dazu hatten die Landschaftspflegegemeinschaft (LPG) und die Gemeinde Wettenberg. Anlass war die Viehweide als Biotop des Jahres 2004/2005, womit das Naturschutz-Zentrum Hessen (NZH-Akademie) auf die Gefährdung des arten- und strukturreichen Lebensraums aufmerksam machen möchte.

Bürgermeister Gerhard Schmidt begrüßte die rund dreißig Gäste im Haus der Begegnung. Die Weide sei ein Lebensraum, der von einer Nutzung durch den Menschen und dessen Haustiere geprägt werde. Während manche Grünlandflächen in den letzten Jahren einer intensiveren Nutzung unterzogen wurden, verbrachten andere und unterlagen der Sukzession. Schmidt nannte einige Sonderstandorte in Wettenberg, die von der LPG 1991 wieder reaktiviert wurden, um sie für eine zukünftige erneute Nutzung offen zu halten. Gerade die besonders mageren oder auch nassen Stellen – auf denen eine Bewirtschaftung heute unter Umständen nicht mehr lohnt – seien für den Naturschutz besonders interessant. „Langfristig ist eine öffentlich finanzierte Offenhaltung in Form einer Pflegemahd mit anschließender Entsorgung des Mahdgutes weder ökologisch sinnvoll noch finanzierbar,“ betonte Schmidt. 
Bauschmann begab sich mit seinen Zuhörern zunächst auf eine Reise in die Weidelandschaften Europas. Anhand zahlreicher Beispiele verdeutlichte er, wie die Tiere die Landschaft formten und ihrerseits durch die Landschaft geprägt wurden. 
So beispielsweise im mittleren Skandinavien, wo sich  Fjäll-Rinder, Schafe und Ziegen tagsüber frei im Wald bewegen, wo sie von der dortigen Pflanzenwelt ernähren. Abends kehren die Tiere selbständig zurück zum Melken und in den Stall. Im Norden Skandinaviens dominiere dagegen die Rentier-Haltung. Als Beispiel für einen weitläufigen Hute-Wald nannte der Diplom-Biologe den New Forest in Südengland. Früher lebten dort Pferde und Rinder im Sommer, während im Winter Schweine in den Wald getrieben wurden. Heute leben Pferde und Rinder ganzjährig in dem Gebiet, das von einer Art Genossenschaft betreut werde. Die Viehdichte werde beispielsweise durch das Entnehmen der jungen Hengste reguliert. Einige Waldgebiete seien zur Holzproduktion ausgezäunt, ansonsten überließe man Natur und Weidetiere sich selbst. In den Niederlanden werde die Heidelandschaft eines Polders mit Schafen, Rindern und Pferden beweidet. Ähnlich werden weite Teile der Camargue in Frankreich mit den typischen weißen Pferden und schwarzen Stieren offen gehalten. Bauschmann zeigte ebenfalls offene Weidesysteme aus Griechenland und Ungarn. Hier leben die Zackelschafe mit ihren gedrehten Hörnern und die vom Aussterben bedrohten Wollschweine. Formen von Waldweiden könne man in Spanien finden, wo Ziegen, Schafe und Iberische Weideschweine in Stein- und Korkeichenwäldern weiden. Früher seien Wanderschäfer mit ihren Herden vom Süden bis hinauf an die Atlantikküste gezogen. Dazu dienten etwa 30 Meter breite Wanderwege, die alle 30 Kilometer aufgeweitet waren. Hier gab es Tränken für das Vieh und Unterstände für die Hirten. So konnten die Herden bis zu 60 Kilometer pro Tag zurück legen. Später wurden die Tiere mit Zügen transportiert, was dazu führte, daß sich Steineichen nicht mehr verjüngten und beispielsweise Geier verschwanden. „Nun beginnt man die alte Tradition der Transhumanz wieder zu beleben. Ein Wanderweg führt mitten durch Madrid, und es gibt große Staus, wenn eine Viehherde durchzieht – aber keiner hupt,“ berichtete Bauschmann. 
Mittlerweile habe man auch im deutschen Naturschutz die positive Wirkung von Beweidung anerkannt, was vor wenigen Jahren noch anders gewesen sei. An Bauschmanns Beispielen wurde deutlich, wie dynamisch eine Weidelandschaft sein kann und welche unterschiedlichen Strukturen sich ausbilden. „Der Viehtritt schafft immer wieder kleine Offenstellen, auf die beispielsweise Orchideen angewiesen sind.“ In einem Hutewald gebe es Parkrasen neben Sukzessionsflächen, die typischen urig anmutenden Hutebäume entstehen erst durch Verbiß und Viehtritt. Im Schutz von Hecken können junge Bäume aufwachsen. Schweine trügen zur Waldverjüngung bei, da sie nicht alle Eicheln fressen sondern immer auch welche unterwühlen würden. 
Beim Abweiden magerer Standorte, sollten keine Hochleistungsrassen verwendet werden: „Wenn Sie ein Texelschaf – eine schwere Fleischrasse – auf einen Kalkmagerrasen stellen, wird es dort vor Hunger umfallen,“ betonte Bauschmann. Jedoch gebe es genügend alte und robuste Rassen, die an solche Standorte angepasst seien. Man habe dann noch den Effekt, dass man neben der naturschützerischen Pflege gleichzeitig zum Erhalt dieser Arten beitrage. Er nannte Glanvieh, Hinter- und Vorderwälder Rind, Rotes Höhenvieh und das Schwarzbunte Niederungsrind („Nicht zu verwechseln mit den heutigen ‚Holstein-Friesian’, den in den USA hochgezüchteten Re-Importen der Schwarzbunten“), Heidschnucken, Berg- und Fuchsschafe als Beispiele. „Für jede Landschaft gibt es Spezialisten.“ Auch Rückzüchtungen des ausgestorbenen Auerochsen, die Heckrinder, sowie von europäischen Wildpferden, die Koniks, werden in verschiedenen Projekten zur Landschaftspflege eingesetzt. Bauschmann selbst hält Rhönschafe und einige Thüringer-Wald-Ziegen. Die Ziegen setze er gezielt zum Gehölzverbiss ein, obwohl „die Schafe schon kräftig aufräumen können.“ Hin und wieder beseitige er jedoch einige Gehölze mit der Motorsense. Um eine Fläche zu entbuschen sei nicht unbedingt ein großer und kostspieliger maschineller Einsatz von Nöten: „Die Tiere schaffen das auch, die brauchen halt nur etwas länger, aber in der Natur haben wir ja Zeit.“
Bei einer Pflege durch Beweidung müsse man möglichst flexibel reagieren können. Mobile Zäune und Baumschutz-Drähte ermöglichen rasches Umtreiben. Wenn genug Flächen zur Verfügung stehen, erhalte man immer verschiedene Entwicklungsstadien der Wiesen nebeneinander, was der Artenvielfalt zu Gute komme. Der 15. Juni als gesetzlich vorgegebener Fixtermin für Beweidung und Mahd sei nur in Wiesenvogel-Gebieten sinnvoll. Jedoch arbeite das Bundesamt für Naturschutz bereits an einer Verbesserung der Regelungen. Arten wie Grünspecht, Wendehals und Steinkauz, allesamt Bewohner der für Hessen typischen Obstwiesen, benötigen schon im Frühjahr kurzes Gras, um an ihre Nahrung zu gelangen. Zwei bis drei Umtriebe seien günstig, wobei Pferde und Ziegen nicht auf die Obstwiesen gehören. 
Über die Wirtschaftlichkeit von „Pflege-Herden“ wurde anschließend rege diskutiert. Der Vorteil einer Beweidung gegenüber der „künstlichen“ Mahd sei zwar die Kombination aus Nutzung und Pflege, doch wie rechne sich das? Für Bauschmann selbst hielten sich Kosten und Entlohnungen – Mutterschafprämie und Mittel für Landschaftspflege, ab etwa zwanzig Schafen die Waage. Er betonte allerdings, dass er als Nebenerwerbslandwirt sein Geld woanders verdiene. Es wurde die Frage gestellt, wie man angesichts des Arbeitsaufwandes und den schwachen Verdienstchancen überhaupt jemanden für die Haltung von Tieren begeistern könne, denn „dazu sind die Fördermittel zu gering.“ Gleichzeitig warnte LPG-Schatzmeister Bernd Hofmann: „Es kann sich nicht jeder gleich eine Schafherde in den Garten stellen. Um Tiere zu halten braucht man Erfahrung - wir haben alle schon unser Lehrgeld bezahlt!“ 

 

Nutztiere in ihren Landschaften

Weltweit sind über 5500 Nutztierrassen bekannt. Allein im europäischen Raum gibt es bereits 270 Rinderrassen, die auf Grund von vielfältigen Nutzungsrichtungen sowie unterschiedlichsten regionalen und klimatischen Bedingungen gezüchtet wurden. Das traditionelle Rind das 18 und 19. Jahrhunderts war ein typisches Dreinutzungsrind, mit den Nutzungseigenschaften, Arbeit, Milch und Fleisch. Entsprechend der Standortfaktoren Klima, Bodenbeschaffenheit, Futterqualität, Exposition, Hangneigung und Wirtschaftsweise wurden Rinder gehalten, die sich entsprechend der vorgegebenen Bedingungen am Besten erwiesen. bekannt waren damals zum Beispiel das Kehlheimer-, das Triesdorfer, das Chamauer- und Murnau-Werdenfalser Rind, sowie der Jeverländer Marschschlag , der Breitenburger Schlag oder das Wittgensteiner Bleßvieh.
Die Namen der jeweiligen nutztierrassen sind eng mit der Landschaft des Herkunftsgebietes verbunden. Wer kennt noch das Bunte Bentheimer Schwein, die Westfälischen Totleger, das Glanrind, das Rottaler Pferd, die Diepholzer Gans oder das Waldschaf?
Der Rückgang der Rassenvielfalt setzte mit der zunehmenden Industrialisierung der Landwirtschaft nach Ende des 2. Weltkriegs ein. Das Arbeitstier Rind und Pferd wurde vom Schlepper abgelöst, geringwertiges Futter wurde durch den Zukauf von Kraftfutter ersetzt, ertragsschwache Standorte wurden aus der Nutzung genommen und die Verzehrsgewohnheiten gingen hin zum Fleischkonsum, der auf größere Mengen und magere Teilstücke ausgerichtet ist. das Dreinutzungsrind verlor seine Bedeutung, vier spezialisierte Rinderrassen mit höchster Produktivität bilden mit 96% des Gesamtrinderbestandes den Hauptteil der Rinder in Deutschland.
Die Vielfalt landwirtschaftlicher Nutztierrassen ist akut bedroht. In Deutschland stehen 90 Rassen auf der "Roten Liste". Ziel ist es, diese Tiere im landwirtschaftlichen Umfeld zu erhalten. hierbei spielen Extensivierungsprogramme sowie Pflegemaßnahmen im Natur- und Landschaftsschutz eine wichtige Rolle. Die positiven Eigenschaften der alten Rassen wie Genügsamkeit, Robustheit, Widerstandsfähigkeit sind hier Garant für erfolgreiche Beweidungsmaßnahmen.
Die Vielfalt der Kulturlandschaft zu erhalten, ist bereits erklärtes Ziel - in Verbindung mit den alten Rassen läßt sich hier ein Bündnis schaffen, daß Kontinuität verstricht und mithilft, die Vielfalt langfristig zu sichern.

Erhaltungsmaßnahmen der Bundesländer zur Sicherung der Vielfalt landwirtschaftlicher Nutztierrassen
Die Bundesländer unterstützen die Haltung gefährdeter Nutztierrassen zum Teil seit vielen Jahren. Die Maßnahmen sind so ausgelegt, daß den im jeweiligen Bundesland bodenständigen Rassen Fördergelder zugesprochen werden können. Einzelne Rassen mit weitreichenderem Verbreitungsgebiet werden somit in mehreren Ländern unterstützt, wie zum Beispiel das Rhönschaf, das in Bayern, Hessen und Thüringen gefördert wird.
Zur Erhaltung kleiner Tierpopulationen ist eine intensive Zusammenarbeit der Tierhalter/-innen mit entsprechendem Tieraustausch notwendig. Die Fördermaßnahmen sollen die erhöhten Aufwendungen bei gleichzeitig kleineren Erträgen finanziell auffangen. Die Fördergelder sind an bestimmte Auflagen gebunden, wie z. B. Betriebsanerkennung, Teilnahme an Zuchtprogrammen, Herdbuchführung oder Mindestbestandsgrößen.

Quelle: GEH / GreenTime 1/00

 

Obstwiese als Forschungsobjekt

Ein Streuobstgebiet von überregionaler Bedeutung stellt der "Wingert bei Dorheim" das, aufgrund der Tier- und Pflanzenarten, die dort vorkommen. Er ist deshalb Teil eines Forschungsprojekts des Naturschutz-Zentrums Hessen - Akademie für Natur- und Umweltschutz (NZH-Akademie) in Wetzlar. die jahrelangen Untersuchungen sind nun so weit gediehen, daß Ergebnisse präsentiert werden können, wie Gerd Bauschmann, NZH-Sachbereichsleiter berichtet.
Der Wingert mit seinen über 20 Hektar ist eine der letzten großflächig intakten Streuobstwiesen im Wettertal rund um Bad Nauheim und Friedberg. Haus- und Straßenbau, intensive Landwirtschaft sowie mangelnde Pflege führten hessenweit zur Zerstörung der einst für unsere Landschaft so typischen Obstwiesen. Seit 1983 sind von ehemals zwölf Millionen Hochstamm-Obstbäumen nur zehn Prozent verblieben. Streuobstwiesen bieten aber zahlreichen seltenen Tieren wie etwa Wiedehopf, Wendehals oder Steinkauz einen geeigneten Lebensraum. Der Wingert wurde daher von Wissenschaftlern als Gebiet überregionaler Bedeutung eingestuft. Die NZH-Akademie untersucht dort den Einfluß des Beweidungs-Zeitpunkts auf Flora und Fauna. "Wir möchten einmal Empfehlungen zum Erhalt der Streuobstwiesen geben können", so Bauschmann. Nachdem die Mahd für die Landwirtschaft unrentabel wurde, müsse nun nach anderen Möglichkeiten gesucht werden, um eine Verbuschung zu verhindern.
Erste Ergebnisse kann Bauschmann inzwischen präsentieren: So fördere eine frühe Beweidung mit Rhönschafen ab April wärme- und trochenliebende Tiere und Pflanzen, die häufig in der Roten Liste gefährdeter Arten zu finden sind. Werden die Schafe erst ab August auf die Weide gelassen, könnten die Pflanzen länger blühen und böten damit Bienen und Schmetterlingen Nektarquellen. Beide Weideformen in Kombination mit gemähter Fläche seien wichtig: "Je vielfältiger die Landschaft, desto mehr Arten können heimisch werden."
Seit 1990 werden Vögel, Kleinsäuger, Insekten und Vegetation beobachtet. Besondere Raritäten stöberten die Naturschützer dabei auf, darunter den gefährdeten Steinkauz. Zwei bis drei Paare dieser Eulenart brüten alljährlich am Wingert. Daneben verfolgt die Akademie auch die Entwicklung des Grünspechts und des Gartenrotschwanzes. Wie der Steinkauz sind sie die Charakterarten der Streuobstwiesen. Die Forschungen trugen aber auch im wahrsten Sinne des Wortes Früchte: So wurden verschollene, alte Obstsorten entdeckt; nach dem "Dorheimer Streifling", eine Apfel, nun mit dem "Schwarzen Falter" und dem "Fauerbacher Braunen" auch zwei alte Kirschsorten.
Zahlreiche Schmetterlings-, Bienen-, Ameisen-, Käfer- und Wanzenarten sind am Wingert heimisch - viele von ihnen stehen auf der Roten Liste. Äußerst selten ist der Kirsch-Prachtkäfer. Er konnte in den letzten 100 Jahren hessenweit nur im Wingert nachgewiesen werden. Bei der Arbeit erhält die NZH-Akademie Hilfe von Planungsbüros und hessischen Universitäten.
"Schon heute ist der Wingert eine der am besten untersuchten Obstwiesen Hessens", meint Bauschmann, selbst ein Dorheimer, nicht ohne stolz. Für die fortlaufenden Forschungen hofften deshalb alle Beteiligten auch in diesem Jahr auf das Verständnis der Bevölkerung. Schließlich solle mit der Hilfe der Untersuchungsergebnisse eine einzigartige Kulturlandschaft bewahrt werden.

Quelle: NZH / Wetterauer Zeitung, 18.03.2000
GreenTime 1/00

 

 


 

   
   
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